Warum Selbstfürsorge ?

26.11.2020 19:16:39 | Vivabalance, Monika Knecht

Warum Selbstfürsorge so wichtig ist

Unser heutiger Alltag ist digital getaktet. Wir leben in einer überstimulierten, vernetzten und rastlosen Welt, in der die Selbstfürsorge oft zu kurz kommt. Wenn auch häufig unterschätzt: Die Fähigkeit, sich selbst Aufmerksamkeit zu schenken, ist für ein gesundes und erfülltes Leben wichtig und ein wesentlicher Pfeiler der Volksgesundheit.

Selbstfürsorge: ein wenig gebräuchlicher und zuweilen gar negativ assoziierter Begriff, lastet der Sorge um sich selbst doch etwas Egoistisches an. Nur was genau bedeutet er?

Der Philosoph Martin Heidegger unterscheidet in seinen Schriften zwischen zwei Arten von Fürsorge: die «einspringende» und die «vorausspringende Fürsorge». Bei der einspringenden Fürsorge übernimmt die umsorgende Person das, was zu besorgen ist. Das Gegenüber wird durch die erteilte Fürsorge geschwächt und von der anderen Person abhängig. Bei der vorausspringenden Fürsorge hingegen wird dem Gegenüber die «Sorge» nicht abgenommen, sondern es wird ihm dazu verholfen, mit seiner Sorge besser umgehen zu können und somit zunehmend befähigt zu werden, für sich selbst zu sorgen.

Bewusst für sich sorgen
Selbstfürsorge findet in der Beziehung zu sich selbst statt. Es existiert ein bedürftiger Teil im Menschen, der wahrgenommen werden will, welcher einen fürsorglichen Teil voraussetzt, der sich um diesen kümmern kann.

Erfolgt nun das Kümmern im Modus der einspringenden Fürsorge, wird der bedürftige Teil entmündigt. Ein Beispiel: Eine übergewichtige Person verordnet sich eine strikte Diät mit intensivem Sport und hält sich konsequent daran, ohne sich um ihre Empfindungen und Gefühle zu kümmern.

Im Modus der vorausspringenden Fürsorge hingegen würde diese Person ihre Ernährung schrittweise umstellen, die sportlichen Aktivitäten langsam steigern und dabei auf ihren Körper und ihre Emotionen hören. Nicht die schnelle Gewichtsabnahme stünde im Vordergrund, sondern die bewusste Absicht, das Problem ganzheitlich anzugehen und das Lebensgefühl, in Einbezug aller Teilaspekte, zu verbessern. Die (vorausspringende) Selbstfürsorge ist demnach eine bewusste Haltung, welche die körperlichen, geistigen und emotionalen Ebenen unseres Seins gleichwertig fördert.

Selbstfürsorge als Basis der Volksgesundheit
Viele betrachten die Selbstfürsorge nach wie vor eher als Luxus denn als Priorität. Wieso fällt uns Selbstfürsorge so schwer? Als Kleinkind sind wir darauf angewiesen, dass unsere Bedürfnisse von fürsorglichen Bezugspersonen erkannt und befriedigt werden. Geschieht dies in genügendem Masse, lernen wir als Kind nach und nach, die Botschaften unseres Körpers und unserer Gefühle zu verstehen und einen eigenen inneren fürsorglichen Teil zu entwickeln.

Werden wir als Kind jedoch nicht befähigt, uns Sorge zu tragen, so gewöhnen wir uns daran, unsere instinktiven Impulse, körperlichen Bedürfnisse und Emotionen zu ignorieren oder einfach abzuschalten.

Als Erwachsene erschweren es uns diese angeeigneten Mechanismen, in akuten Stressphasen unsere Aufmerksamkeit nach innen zu richten und auf uns zu achten. So werden Anzeichen wie Müdigkeit, Schmerz und Stress nicht wahrgenommen oder verdrängt, und wir können nicht selbstfürsorglich darauf reagieren. 

Wie wichtig Selbstfürsorge für den Aufbau unserer Resilienz (Widerstandskraft) ist, belegen aktuelle Zahlen aus der Arbeitswelt. Heute beruhen 31% der diagnostizierten Arbeitsausfälle auf psychischer und 29% auf körperlicher Überlastung. Zeitdruck, Komplexität der Arbeit und immer höhere Anforderungen fordern ihren Tribut. In der aktuellen Corona-Krise  wird dieser Druck bei vielen Menschen noch durch Unsicherheit und Ängste verschärft. Die Fähigkeit, uns bewusst Sorge zu tragen, ist die Grundlage einer funktionierenden Volksgesundheit.

Die richtige Balance 
So stellt sich die Frage, wie Selbstfürsorge gelingt. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht. Selbstfürsorge findet auf allen Ebenen statt – auf der körperlichen, geistigen, emotionalen sowie der sozialen und der spirituellen. Wichtig ist, herauszufinden, was einem guttut und das persönliche Wohlbefinden steigert. Langfristig erfolgreiche Selbstfürsorge-Strategien sind von einer wohlwollenden inneren Haltung getragen und zeichnen sich durch ein Gleichgewicht zwischen Tun und Sein, Aktivierung und Entspannung, Zeit mit anderen und Zeit für sich aus.

Menschen, die ständig unter Druck stehen, körperlich schon angeschlagen sind oder keine starken sozialen Bindungen haben, fällt es jedoch schwer, allein aus einer erschöpfenden Spirale herauszufinden. Hier kann eine Therapie mit komplementärtherapeutischem Ansatz wie Shiatsu helfen, zur Ruhe zu kommen und zu lernen, sich selbst Sorge zu tragen.

In der Shiatsu-Therapie stehen der Mensch und sein Wohlbefinden im Zentrum. Sie zielt darauf ab, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Mit verschiedenen Arbeitsweisen werden Blockaden im Energiesystem gelöst und die Lebensenergie Ki wieder zum Fliessen gebracht. Während der Behandlung und im begleitenden Gespräch erfährt die Person Wertschätzung und Aufmerksamkeit. Potenzielle und vorhandene Ressourcen können erkannt und gestärkt, die Sorge zu sich selbst schrittweise erlernt und die innere Balance wiedergefunden werden.

Bericht von Anita Oswald (publiziert im November 2020 im Shiatsuverband SGS www.shiatsuverband.ch/warum-selbstfuersorge-so-wichtig-ist)